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Sun, Dec 22, 15:42

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<lb n="2" xml:id="a11r_lb2"/>christlicht oder verpöbelt sich zusehends (was liegt an Worten!) Der Gang dieser Vergiftung, durch den ganzen Leib der Mensch<pc force="weak">-</pc>
<lb n="3" xml:id="a11r_lb3"/>heit hindurch, scheint unaufhaltsam, ihr <hi rend="latin">tempo</hi> und Schritt darf sogar von nun an immer langsamer, feiner, unhörbarer, be<pc force="weak">-</pc>
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<lb n="5" xml:id="a11r_lb5"/>ein Recht auf Dasein zu? Oder könnte man ihrer entrathen? <hi rend="latin">Quaeritur</hi>. Es scheint, daß sie jenen Gang eher hemmt und zu<pc force="weak">-</pc>
<lb n="6" xml:id="a11r_lb6"/>rückhält, <del rend="hatching" instant="true">als</del> statt ihn zu beschleunigen? Nun, eben das könnte ihre Nützlichkeit sein… Sicherlich ist sie nachgerade Etwas Gröb<pc force="weak">-</pc>
<lb n="7" xml:id="a11r_lb7"/>liches und Bäurisches, das einer zarteren Intelligenz, einem eigentlich modernen Geschmacke widersteht. Sollte sie sich zum
<lb n="8" xml:id="a11r_lb8"/>Mindesten nicht etwas raffinieren?… Sie entfremdet heute mehr als daß sie verführte… Wer von uns würde wohl Freigeist
<lb n="9" xml:id="a11r_lb9"/>sein, wenn es nicht die Kirche gäbe? Die Kirche widersteht uns, <hi rend="underline">nicht</hi> ihr Gift… Von der Kirche abgesehn lieben auch wir
<lb n="10" xml:id="a11r_lb10"/>das Gift…“ – Dies der Epilog eines „Freigeistes“ zu meiner Rede, eines ehrlichen Thiers, wie er reichlich verrathen hat,
<lb n="11" xml:id="a11r_lb11"/>überdies eines Demokraten; er hatte mir bis dahin zugehört und hielt es nicht aus, mich schweigen zu hören. Für mich
<lb n="12" xml:id="a11r_lb12"/>nämlich giebt es an dieser Stelle <subst xml:id="subst1_a11r" seq="1"><add place="above" rend="insM" xml:id="a11r_add_d2e117">viel</add><del rend="hatching">Viel</del></subst> zu <del xml:id="substDel1_a11r" rend="hatching" seq="1">ver</del>schweigen. –</p>
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<p>
<lb n="14" xml:id="a11r_lb14"/>– Der Sklavenaufstand in der Moral beginnt damit, daß das <hi rend="underline"><hi rend="latin">Ressentiment</hi></hi> selbst schöpferisch wird und Werthe gebiert: das <del rend="strikethrough" instant="true">-<note type="editorial" xml:id="a11r_note_d2e150">14: -] falsch gesetzter Trennstrich?</note></del>
<lb n="15" xml:id="a11r_lb15"/><hi rend="latin">Ressentiment</hi> solcher Wesen, denen die eigentliche <hi rend="latin">Reaction</hi>, die durch die That, versagt ist und sich durch eine imaginäre Rache schad<pc force="weak">-</pc>
<lb n="16" xml:id="a11r_lb16"/>los halten. Während alle vornehme Moral aus einem triumphirenden Ja-sagen zu sich selber herauswächst, sagt die Sklaven-Moral
<lb n="17" xml:id="a11r_lb17"/>von vornherein Nein zu<del rend="strikethrough" instant="true">m</del> einem „Außerhalb“, zu einem „Anders“, zu einem „Nicht-selbst“: und <hi rend="underline">dies</hi> Nein ist ihre schöpferi<pc force="weak">-</pc>
<lb n="18" xml:id="a11r_lb18"/>sche That. Diese Umkehrung des werthe-setzenden Blicks – diese <hi rend="underline">nothwendige</hi> Richtung nach <subst xml:id="a11r_subst_d2e183"><del rend="overwritten">a</del><add place="superimposed" xml:id="a11r_add_d2e186">A</add></subst>ußen statt zurück auf sich <milestone unit="section" type="signature" edRef="#Ed" n="Bogen2"/><milestone unit="page" edRef="#Ed" n="17"/>selber –
<lb n="19" xml:id="a11r_lb19"/>gehört eben zum <hi rend="latin">Ressentiment</hi>: die Sklaven-Moral bedarf, um zu entstehn, immer zuerst einer Gegen- und Auß<retrace>en</retrace>welt, sie
<lb n="20" xml:id="a11r_lb20"/>bedarf, physiologisch gesprochen, äußerer Reize, um überhaupt zu agiren – ihre Aktion ist von Grund aus Reaktion. Das
<lb n="21" xml:id="a11r_lb21"/>Umgekehrte ist bei der Vornehmen Werthungsweise der Fall: sie <add place="above" rend="insM" xml:id="a11r_add_d2e204">agirt und</add> wächst spontan, sie sucht ihren Gegensatz nur auf, um
<lb n="22" xml:id="a11r_lb22"/>zu sich selber noch dankbarer, noch frohlockender Ja zu sagen – ihr negativer Begriff „niedrig“ „gemein“ „schlecht“ ist nur ein
<lb n="23" xml:id="a11r_lb23"/>nachgebornes blasses Contrastbild im Verhältniß zu ihrem positiven, durch und durch mit Leben und Leidenschaft durchtränk<pc force="weak">-</pc>
<lb n="24" xml:id="a11r_lb24"/>ten Grundbegriff „wir Vornehmen, wir Guten, wir Schönen, wir Glücklichen!“ Wenn die vornehme Werthungsweise sich
<lb n="25" xml:id="a11r_lb25"/>vergreift und an der Realität versündigt, so geschieht dies in Bezug auf die Sphäre, welche ihr <hi rend="underline">nicht</hi> genügend bekannt
<lb n="26" xml:id="a11r_lb26"/>ist, <subst instant="true" xml:id="a11r_subst_d2e225"><del rend="overwritten">ge</del><add place="superimposed" xml:id="a11r_add_d2e228">ja</add></subst> gegen deren wirkliches Kennen sie sich spröde zur Wehre setzt: sie verkennt unter Umständen die von ihr verach<pc force="weak">-</pc>
<lb n="27" xml:id="a11r_lb27"/>tete Sphäre, die des gemeinen Manns, des niedren Volks; andrerseits erwäge man, daß jedenfalls der Affekt der Verachtung,
<lb n="28" xml:id="a11r_lb28"/>des Herabblickens, des Überlegen-Blickens, gesetzt, daß er das Bild des Verachteten <hi rend="underline">fälscht</hi>, bei weitem hinter der Fälschung
<lb n="29" xml:id="a11r_lb29"/>zurückbleiben wird, mit der der zurückgetretene Haß, die Rache des Ohnmächtigen sich an seinem Gegner – <hi rend="latin">in effigie</hi>
<lb n="30" xml:id="a11r_lb30"/>natürlich – vergreifen wird. In der That ist in der Verachtung zu viel Nachlässigkeit, zu viel Leicht-Nehmen, zu viel
<lb n="31" xml:id="a11r_lb31"/>Wegblicken und Ungeduld mit eingemischt, selbst zu viel eignes Frohgefühl, als daß sie im Stande wäre, ihr Objekt zum
<lb n="32" xml:id="a11r_lb32"/>eigentlichen Zerrbild und Scheusal umzuwandeln. Man überhöre doch die beinahe wohlwollenden <hi rend="latin">nuances</hi> nicht, welche zum
<lb n="33" xml:id="a11r_lb33"/>Beispiel der griechische Adel <milestone unit="page" edRef="#Ed" n="18"/>in alle Worte legt, mit denen er das niedere Volk von sich abhebt; wie sich fortwährend eine
<lb n="34" xml:id="a11r_lb34"/>Art Bedauern, Rücksicht, Nachsicht einmischt und anzuckert, bis zu dem Ende, daß fast alle Worte, die dem gemeinen Man<pc force="weak">-</pc>
<lb n="35" xml:id="a11r_lb35"/>ne zukommen, schließlich als Ausdrücke für „unglücklich“ „bedauernswürdig“ übrig geblieben sind (vergleiche <foreign xml:lang="grc"><reg>δειλός</reg></foreign> <foreign xml:lang="grc"><reg>δείλαιος</reg></foreign>
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<lb n="37" xml:id="a11r_lb37"/>seits „schlecht“ „niedrig“ „unglücklich“ nie wieder aufgehört haben, für das griechische Ohr in Einen Ton auszuklingen<add place="inline" xml:id="a11r_add_d2e289">, <add place="above" rend="insM" instant="true" xml:id="a11r_add_d2e291">mit einer Klangfarbe, in der „unglücklich“ überwiegt</add></add>: dies als
<lb n="38" xml:id="a11r_lb38"/>Erbstück der alten <add place="above" rend="insM" xml:id="a11r_add_d2e296">edlen</add> aristokratischen Werthungsweise, die sich auch im Verachten nicht verleugnet (– Philologen seien daran erin<pc force="weak">-</pc>
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