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<lbn="2"xml:id="b28r_lb2"/>liche Inbrunst und Leidenschaft: aber eben die <hirend="underline">Macht</hi> seines Wünschens ist die Fessel,
<lbn="3"xml:id="b28r_lb3"/>die ihn hier anbindet, eben damit wird er zum Werkzeug, das daran arbeiten muß,
<lbn="4"xml:id="b28r_lb4"/>günstigere Bedingungen für das Hier-sein und Mensch-sein zu schaffen<addplace="inline"xml:id="b28r_add_d2e62">,</add> – eben mit die<pcforce="weak">-</pc>
<lbn="5"xml:id="b28r_lb5"/>ser <hirend="underline">Macht</hi> hält er die ganze Heerde der Mißrathnen, Verstimmten, Schlechtweggekomm<pcforce="weak">-</pc>
<lbn="6"xml:id="b28r_lb6"/>nen, Verunglückten, An-sich-Leidenden jeder Art am Dasein fest, <substxml:id="b28r_subst_d2e79"><addplace="above"rend="insM"seq="1"xml:id="b28r_add_d2e80">indem er <substxml:id="b28r_subst_d2e82"><addplace="above"rend="insM"seq="3"xml:id="b28r_add_d2e83">ihnen</add><delrend="hatching"seq="3">ih<substxml:id="b28r_subst_d2e87"><delrend="overwritten"seq="2">r</del><addplace="superimposed"seq="2"xml:id="b28r_add_d2e90">nen</add></subst></del></subst> instinktiv</add><delrend="hatching">der er</del></subst> als Hirt vor<pcforce="weak">-</pc>
<lbn="7"xml:id="b28r_lb7"/>angeht. Man versteht mich <addplace="above"rend="insM"xml:id="b28r_add_d2e104">bereits</add>: dieser asketische Priester, dieser anscheinende Feind des
<lbn="8"xml:id="b28r_lb8"/>Lebens, dieser <hirend="underline">Verneinende</hi><addhand="#N_pencil"place="inline"xml:id="b28r_add_d2e111">,</add> – er gerade gehört zu den ganz großen <hirend="underline">conservirenden</hi>
<lbn="9"xml:id="b28r_lb9"/>und Ja-<hirend="underline">schaffenden</hi> Gewalten des Lebens… Woran sie hängt, jene Krankhaftigkeit?
<lbn="10"xml:id="b28r_lb10"/>Denn der Mensch ist kränker, unsicherer, wechselnder, unfestgestellter als irgend ein
<lbn="11"xml:id="b28r_lb11"/>Thier sonst, daran ist kein Zweifel, – er ist <hirend="underline">das</hi> kranke Thier: woher kommt das? Si<pcforce="weak">-</pc>
<lbn="12"xml:id="b28r_lb12"/>cherlich hat er auch mehr gewagt, geneuert, getrotzt, das Schicksal herausgefordert als alle
<lbn="13"xml:id="b28r_lb13"/>übrigen Thiere zusammen genommen: er, der große Experimentator mit sich, der Un<pcforce="weak">-</pc>
<lbn="14"xml:id="b28r_lb14"/>befriedigte, Ungesättigte, der um die letzte Herrschaft mit Thier, Natur und Göttern ringt,
<lbn="15"xml:id="b28r_lb15"/>– er, der immer noch Unbezwungne, der ewig-Zukünftige, der vor seiner eignen drän<pcforce="weak">-</pc>
<lbn="16"xml:id="b28r_lb16"/>genden Kraft keine Ruhe mehr findet, so daß ihm seine Zukunft unerbittlich wie
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<lbn="18"xml:id="b28r_lb18"/>ches Thier nicht auch das am Meisten gefährdete, das am Längsten und Tiefsten kran<pcforce="weak">-</pc>
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<lbn="21"xml:id="b28r_lb21"/>dieser Verdruß an sich selbst – Alles tritt an ihm so mächtig heraus, daß es sofort
<lbn="22"xml:id="b28r_lb22"/>wieder zu einer neuen Fessel wird. Sein Nein, das er zum Leben spricht, bringt wie
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